Was soll man da anderes bei seinen ,,Anhängern" erwarten ???
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Der Islamische Staat und die Ästhetik des Wahnsinns
Erstmals zeigt eine TV-Reportage den "Islamischen Staat" (IS) von innen. Bester Laune planen seine Bürger die grausamsten Gräueltaten. Das Böse zeigt sich in seiner ganzen Unschuld.
Das Erstaunlichste an der Reportage aus dem syrischen ar-Raqqa, de facto Hauptstadt des Islamischen Staats (IS), die einem Reporter des Internetmagazins "Vice" sensationellerweise gelang, ist die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen. Das Kind, das angibt, später einmal lieber Dschihadist als Selbstmordattentäter werden zu wollen, lächelt scheu-kokett. Sein Vater, genannt der Belgier, weil er dort lange lebte, bevor er nach ar-Raqqa kam, um einen Gebetstruck zu fahren, muss gerührt weinen, wenn er verspricht, die Ungläubigen in aller Welt auszurotten.
Der offizielle Pressesprecher von IS – ja, auch den gibt es –, ist ein netter Typ im grauen T-Shirt, den man mit seiner Ray-Ban-Wayfarer-Brille und dem Fusselbart für einen Hipster halten könnte. Ganz offen erzählt er davon, dass seine Familie, seine Frau und die Kinder, "das Unwichtigste überhaupt" seien und er sie so gut wie nie sehe, das letzte Mal vor Monaten. Es gebe schließlich Wichtigeres, die Verteidigung des Islam zum Beispiel.
Ein Scharia-Polizist patrouilliert im Auto durch die Straßen, um hier und da die Scheibe herunterzukurbeln und zu sagen, na, na, auf diesem Sonnensegel prangt ja ein Popstar, das geht leider gar nicht, oder, lieber Herr, ist Ihnen entgangen, dass unter dem Kleid Ihrer Frau die Unterwäsche hervorblitzt, ist sie denn eine Ware, die Sie hier ausstellen wollen? Dazu lächelt der Milizionär hilfsbereit, fast schon unterwürfig.
Er erkundigt sich beim Metzger nach den Preisen für Rind und Schaf: Aha, Schaf für neun Dollar das Kilo und Rind für acht, aber gemischt auch sacht, ist das denn ein gutes Geschäft? Na, Gott mit Ihnen. Währenddessen saust das Hackebeil, von munteren Wonneproppen kundig geführt, geschäftig rauf und runter, der Sittenwächter lächelt, und vage liegt ein namenloser Schrecken in der Luft. Vielleicht denkt ihn sich der Betrachter aber auch nur hinzu, so wie den süßlich-schweren Geruch der frisch geschächteten Lämmer.
Vorfreude auf Peitschenhiebe
Ein paar Ecken weiter im Gericht gibt ein Mann mit stahlgrauen Haaren und Sonnenbrille Auskunft. Er sei hier, um seinen Cousin anzuzeigen. Der wolle die Ernte nicht teilen. Nein, er sei zum ersten Mal da. Sogar in die Zellen lässt der IS-Pressesprecher, der offenkundig Prokura hat, den britischen Journalisten Medyan Dairieh. Da ist es, als hätte Kafka, bisher höchstens ausführender Produzent der Geschichte, vollends die Regie übernommen. Die folgenden Begegnungen und Dialoge stehen mehr oder weniger genauso im "Prozess" und vor allem in der "Strafkolonie".
Alle freuen sich, dass sie ausgepeitscht werden. Der liebe Gott sieht es schließlich so vor. Vater und Sohn, die ihr Leben bisher mit dem Verkauf von Alkohol bestritten, scheinen erleichtert, dass es damit nun ein Ende hat. Ein älterer Mann, ebenfalls wegen eines Drogendeliktes hier und offenbar ein wirklich netter Kerl, sagt: "Es gibt nichts Schöneres, als hier im Herzen des Islamischen Kalifats zu sein." Er meint das Gefängnis. Auf Verstöße, die mit Drogen zu tun haben, steht die Todesstrafe.
Draußen auf dem Marktplatz hängt ein Gekreuzigter, keine Jesusfigur, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut, das heißt mittlerweile mehr Fleisch als Blut. Er hat die Augen verbunden und ist tot. Als Abschreckung taugt er vielleicht noch. Milde lächelnde Menschen drängeln sich davor und machen Fotos mit Telefonen.
Alle sind gut drauf
Wieder im Auto macht der zuvorkommende Pressesprecher einen Ausflug in eine vom "Regime" kontrollierte Gegend. Da hinten, auf der Zuckerfabrik, sitze ein Scharfschütze. Deshalb könne man leider nicht näher heran. Es spricht aber nichts gegen einen Abstecher in einen Schützengraben für ein paar Maschinengewehrsalven in Richtung der Ungläubigen. Die tun der Dramaturgie den Gefallen und schießen zurück.
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