Leserkommentare abschalten?
Einige schlagen nun sogar vor, Leserkommentare ganz abzuschaffen
Was das Medium-Magazin in seiner aktuellen Ausgabe eher nebenbei enthüllt, hat das Zeug, die aktuelle Debatte zum Vertrauensverlust der Leitmedien neu zu befeuern.
Was das Medium-Magazin in seiner aktuellen Ausgabe eher nebenbei enthüllt, hat das Zeug, die aktuelle Debatte zum Vertrauensverlust der Leitmedien neu zu befeuern.
Spiegel-Autor Christian Neef, der für das Blatt seit langem aus der Ukraine und aus Russland berichtet und dessen Artikel von vielen Lesern in den letzten Monaten heftig kritisiert wurden, sagt dort:
Eine solch massive Kritik wie in diesem Jahr habe ich noch nie erlebt. Vertrauensverlust? Den gibt es sicher. (…) Die Internetforen sind dabei ein Kapitel für sich. (…) Onlinemedien wie Spiegel Online nehmen inzwischen sogar in Kauf, dass die Berichte ihrer Korrespondenten gleich im Anschluss an den Text in den Foren aufs Übelste zerpflückt und als unwahr bezeichnet werden, sie desavouieren damit ihre eigenen Mitarbeiter und liefern sie schutzlos dem Shitstorm aus. Ich habe die Kollegen bei Spiegel Online deswegen gebeten, bei bestimmten Texten, die ich schreibe, die Kommentarfunktion künftig abzuschalten - so wie es andere Webseiten schon länger tun. Eine wildwuchernde Debatte im Netz, auch wenn sie grob gefiltert wird, ist nicht wirklich hilfreich. Im Gegenteil: Sie führt nicht nur bei den schreibenden Journalisten zu wachsender Verunsicherung, sondern bei leitenden Redakteuren auch zu beginnender Selbstzensur.Die Argumentation des Spiegel-Mannes ist bemerkenswert.
- Christian Neef
Neef beobachtet, dass die andauernde Leserkritik langsam Wirkung auf einzelne Journalisten zeigt - und möchte genau das verhindern.
Doch warum eigentlich?
Geht es nicht am Ende um den Leser?
Ist dieser nicht der Souverän in einer offenen Mediengesellschaft?
Ich sage:Auch innerhalb des Spiegel regt sich nun Widerstand gegen Neefs Ansichten. Unter vorgehaltener Hand heißt es aus der Redaktion, hinter den Äußerungen des Russlandkorrespondenten stecke "eine Denkweise, die Walter Ulbricht einst auf die Formel brachte, man dürfe 'die Dinge nicht dem Selbstlauf überlassen'". Die Pointe dabei: Neef ist selbst in der DDR aufgewachsen, war in den 1980er Jahren Korrespondent des DDR-Rundfunks in Moskau, ist seit der Wende aber beim Spiegel und profiliert sich dort seit vielen Jahren vor allen Dingen mit massiver Russlandkritik.
Wer Leserkommentare Abschaltet hat lediglich Angst das man ihn beim Lügen oder bei Propaganda und bezahlter Meinungsmache erwischt.
Mal Abgesehen davon das jeder Herrn Neff und seine Geschichten kennt - frage ich mich - Ist das überhaupt ein Journalist, oder ist er nur ein Reporter?!
Er war es auch, der den Begriff "Putinversteher" 2011 erstmals in einer Schlagzeile verwandte.
Mit der Forderung nach Schließung der Kommentarfunktion steht Neef allerdings nicht allein. So sagt Günther Nonnenmacher, einer der Herausgeber der FAZ, im Interview mit dem Medium Magazin nun:
Führende Journalisten rechtfertigen ihre Ablehnung der Leserkritik dabei immer wieder mit dem Vorwurf, diese sei "gesteuert". So schreibt etwa Spiegel-Autor Christian Neef:Mit der Forderung nach Schließung der Kommentarfunktion steht Neef allerdings nicht allein. So sagt Günther Nonnenmacher, einer der Herausgeber der FAZ, im Interview mit dem Medium Magazin nun:
Frank Schirrmacher und ich waren zwischenzeitlich der Meinung, dass man die Kommentarfunktion gänzlich abstellen soll. Bei Themen wie Gaza-Krieg machen wir das auch, denn wüste antisemitische Beschimpfungen möchten wir nicht auf unserer Webseite haben, für deren Inhalte wir schließlich verantwortlich sind. Wir haben auch überlegt, ob man Kommentare gebührenpflichtig machen sollte und dafür eine eigene Community schafft, so dass zum Beispiel jeder, der etwas zu einem Thema beitragen möchte, für die Veröffentlichung seines Kommentars zahlt - und sei es nur einen Euro. (…) Dass man für die Kommentare eine Community mit Clubcharakter schafft, das ist eine ernsthafte Option.
Günther Nonnenmacher
(WER AUCH SONST)
Es kann nicht sein, dass deutsche Medien unter dem Druck von Hassbloggern oder gesteuerten Propagandakampagnen ihre Korrespondenten dazu anhalten, künftig anders über Russland oder die Ukraine zu berichten.Und FAZ-Mitherausgeber Nonnenmacher meint:
Christian Neef
Es gibt viele ehrlich besorgte Leserzuschriften, darunter viele ältere Leute mit Kriegserinnerungen. Und jüngere kritisieren besonders oft die Politik der USA. Es ist da aber auch ganz offensichtlich eine konzertierte Aktion am Werk, erkennbar an fast wortgleichen Mails, die die Onlineforen überschwemmen. In solchen Kommentaren spiegelt sich keine lebendige Demokratie.Gleichen Sinnes schrieb SZ-Außenressortchef Kornelius dem Autor dieses Textes kürzlich:
Günther Nonnenmacher
Die Süddeutsche ist kein Abladeplatz für Troll-gesteuerte Propaganda-Ware.
Tja Herr Kornelius, wenn dem so wäre würde die SZ ja nur aus einer Seite mit Werbung bestehen!
* * * *
Besser wäre es, nun endlich einmal substanziell und selbstkritisch die Ukraineberichterstattung dieses Jahres in einem großen öffentlichen medialen Forum aufzuarbeiten. Sind das wirklich alles nur "Fehler", "Pannen" und "Versäumnisse" in den Redaktionen? Hat die antirussische Schlagseite in den Kommentaren wirklich so gar nichts mit der Verflechtung von Leitartiklern wie Josef Joffe (Die Zeit), Stefan Kornelius (SZ), Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ) etc. mit transatlantischen Netzwerken zu tun, wie es der Medienwissenschaftler Uwe Krüger in seiner Dissertation beschreibt?
Doch vor dieser Debatte scheuen die Chefredaktionen weiterhin zurück. Zeit-Autor Jochen Bittner etwa, dessen Verflechtung das ZDF-Kabarett "Die Anstalt" im Frühjahr einem Millionenpublikum zur Kenntnis brachte (und daraufhin von Bittner verklagt wurde) räumte zwar mittlerweile selbst in einem Forenbeitrag auf Telepolis ein, "die Vernetzung von Journalisten mit Thinktanks wäre eine ernsthafte Debatte sehr wohl wert". Doch wann wird diese Debatte denn nun eigentlich auf den Seiten der Zeit geführt?
Hier noch einmal der Mitschnitt der in der ZDF-Mediathek gelöscht wurde und gegen den Herr Bittner geklagte hat.
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